Landhaus-Stil: Was schon die Fugger hatten, gefällt bis heute.
Was ist ein Landhaus? Was bedeutet der Begriff Landhausstil? Auf den ersten Augenblick möchte man abwinken: Das wisse doch jeder, und haben wolle man es auch. Schaut man sich im Internet um, verstärkt sich dieser Eindruck noch: Architektur, Mode, Einrichtung - überall wird dieser Begriff - fast sogar etwas freigiebig - verwendet.
Ein Architekturhistoriker erklärt den Landhausstil
Die Unterhaltung mit dem Stuttgarter Architekturhistoriker Prof. Klaus Jan Philipp bestätigt das. Der Fachmann skizziert im Gespräch auch ein paar Entwicklungslinien, die zu dem geführt haben, was wir heute Landhaus nennen. Der Unterschied zwischen Landhaus auf der einen und Villa auf der anderen Seite ist nach Philipps Worten nicht immer klar. Villen sind schon von Plinius dem Jüngeren beschrieben worden - dabei habe es sich, vermutet Philipp, wahrscheinlich um Bauten gehandelt, die nie existierten. Noch eine Abgrenzung: Ein Landhaus sei ganz bewusst kein Schloss, erläutert Philipp.
Philipp nennt zum Landhaus Stichworte: Es ist überschaubar, habe eine gewisse Landgebundenheit. Die Fugger, also die bis heute existierende, Augsburger Bürger- und Patrizierfamilie, hätten es gemocht, auch Nürnberg fällt in der Unterhaltung mit dem Historiker als Stichwort. Als im 19. Jahrhundert in England der gehobene Mittelstand zunahm, sei eine entsprechende Entwicklung eingetreten - es entstanden ganze Villenkolonien. Etwa zur selben Zeit gab es das Arts and Craft movement - in der Onlineenzyklopädie Wikipedia ist etwas von seinem Einfluss auf Bewegungen wie Art Nouveau, Wiener Sezession, Wiener Werkstätte, den Deutschen Werkbund und das Bauhaus zu lesen. Ziel von Arts und Craft sei gewesen, Kunst und Kunsthandwerk wieder zu vereinen. Im 20. Jahrhundert, so Philipp, folgte die so genannte Gartenstadtbewegung - die einfacheren Wohnraum schaffte. Folgt man den Einschätzungen des Stuttgarter Professors, muss man wohl zwischen der architekturhistorischen Definition Landhaus und entsprechenden Verkaufsargumenten Unterschiede machen - auch das Wort Jugendstil werde nicht immer in exakter Weise verwendet. Interessant ist noch eine weitere Bemerkung Philipps: Vieles, was sich im 19. Jahrhundert an Wohnformen entwickelt habe, sei bis heute gleich geblieben, sagt er. Bis auf eine Veränderung: Heutige Landhäuser haben, im Gegensatz zu den Anfängen, kein Personal mehr.
Verschiedene Arten von Landhausstil
Das Fachportal Living at home (zuhause Wohnen) unterscheidet übrigens zwischen verschiedenen nationalen Landhausstilen und setzt den Landhausstil mit Country Style gleich. Der Landhausstil zeichne ,,sich durch natürliche Materialien aus", heißt es dort. Auf brigitte.de ist unter dem Stichwort neuer Landhausstil von einer Idylle zum Wohlfühlen zu lesen. Auf Schöner Wohnen ist davon die Rede, dass sich in hektischen Zeiten viele Menschen nach dem Leben auf dem Land sehnten. Neben natürlichen Materialien wird dort die handwerkliche Verarbeitung als ,"charakteristisch für den unkomplizierten Landhausstil" gesehen. Diese Erscheinung würde durch "gedrechselte Möbel, Antiquitäten und Fundstücke vom Flohmarkt" vervollständigt. Natürlichkeit sei ein ,"wesentliches Element für den Landhausstil". Vintage-Stil, Shabby-Chic oder Used-look seien moderne Varianten. Zum Landhausstil, heißt es überdies, passe alles, was der Garten hergebe (gemeint sind Blumen). Die Site landhausstil.info spricht von einer "Gemütlichkeit, die Wärme ausstrahlt".
Landhausstil: Gegenentwurf zur sachlichen Moderne
Am ehesten kann man den Landhausstil wohl als Gegenentwurf zur sachlichen Moderne sehen, als Fluchtmöglichkeit vor heutigem Stress und dem Tempo der Arbeitswelt. Der Tendenz zum Minimalismus, zum Weglassen moderner Wohnstile steht Lust zum verspielten Detail, zur Individualität entgegen. Das lässt - glücklichwerweise - der Phantasie Raum und macht präzise Eingrenzungen schwierig.